Mellotron

Mellotron
Mellotron,
 
auch Novatron, Tasteninstrument, dessen Klangerzeugung auf der Wiedergabe von Magnettonbändern beruht. Über eine herkömmliche Klaviatur werden zuvor auf Tonband aufgezeichnete Tonsignale abgerufen, sodass sich das Instrument sowohl zur Imitation natürlicher Instrumental- oder Vokalklangfarben (bevorzugt Violine, Violoncello, Flöte, Chor) als auch für Soundeffekte eignet. Dem Mellotron (Zusammenfügung aus »Melody« und »Electronics«), entwickelt 1962/63 von den Brüdern Frank, Leslie und Norman Bradley (Mark I, produziert seit 1964 von Mellotron Manufacturing, später Streetly Electronics, Streetly/Großbritannien, Mark II seit 1965), gingen verschiedene Versuche anderer Hersteller voraus, darunter als direktes Vorbild das Chamberlin. Das Mellotron verfügte über zwei nebeneinander liegende, jeweils drei Oktaven umfassende Manuale, wobei das rechte für das Melodiespiel und das linke für Begleitung und Rhythmus vorgesehen war. Für jede der insgesamt 70 Tasten existierte ein 128 cm langes 3/8-Zoll Tonband mit der entsprechenden Abspielvorrichtung. Der Instrumentalist konnte zwischen sechs Abschnitten und jeweils drei Spuren der Bänder auswählen und somit auf maximal 1.260 verschiedene Klangeffekte zugreifen. Die Aufnahmen richteten sich nach dem Verwendungszweck des Gerätes, beschränkten sich jedoch nicht auf gehaltene Töne einzelner Instrumente (z. B. eine Solo-Violine auf den der Tastatur entsprechenden chromatischen Tonstufen), sondern brachten auch komplexe musikalische Strukturen (z. B. eine Passage, gespielt von einem Instrumentalensemble) oder Geräusche zu Gehör. Das Mellotron kam sowohl als Musikinstrument wie auch zur Geräuschunterlegung von Filmen zum Einsatz. Für die Aufzeichnung der Mastertapes, das Bespielen der 3/8-Zoll-Bänder und den Vertrieb des Instruments war die Eric Robinson Organization (Mellotronics) USA zuständig. Mit dem kleineren, einmanualigen Mellotron M 400 kam 1970 eine erfolgreiche, bühnentaugliche (Gewicht ca. 55 kg) Version auf den Markt. Aufgrund von finanziellen Streitigkeiten zwischen dem Hersteller (Streetly Electronics) und dem Vertrieb (Dalles Music) Mitte der Siebzigerjahre war die Eric Robinson Organization gezwungen, den Firmennamen Mellotronic zu verkaufen, sodass 1978 die Bezeichnung des Instruments in Novatron umgewandelt wurde (Novatron 400 SM und die zweimanualige Variante Mark 5). Das Novatron 400 SM unterscheidet sich vom Mellotron M 400 hauptsächlich durch seinen quarzgesteuerten Motor, der einen besseren Gleichlauf der Tonbänder gewährleistete. Die Bandgeschwindigkeit von 19 cm/s ließ sich im Bereich von +/- 20 % verschieben, wodurch die Gesamtstimmung des Instruments verändert werden konnte. Bei einer Bandlänge von 183 cm waren Spielzeiten von ca. zehn Sekunden möglich. Nach Loslassen der Taste wurde des Band von einer Feder in die Ausgangsposition zurückgezogen. Mithilfe eines Spurwahlschalters ließen sich die Tonköpfe mechanisch versetzen, sodass sie jeweils eine oder auch gleichzeitig zwei der drei Spuren des 3/8-Zoll-Bandes abtasteten. Bei Anschlag einer Taste auf dem Keyboard drückte eine Gummirolle das Tonband gegen die unterhalb der Tastatur verlaufende Capstanwelle. Wurden mehrere Tasten gleichzeitig angeschlagen, so erhöhte sich die erforderliche Zugkraft. Es kam dadurch zu hörbaren Gleichlaufschwankungen bzw. zum Absinken der Tonhöhe. Weitere Nachteile des Mellotrons bestanden im Verschleiß der Magnettonbänder, in der begrenzten Lebensdauer der Tonköpfe sowie deren häufiger Verschmutzung und im Fehlen naturgetreuer Ausschwingvorgänge beim Abbruch der Klangwiedergabe.
 
Die beschränkte, vom Hersteller vorgegebene Auswahl an Standardklängen bewirkte im Zusammenhang mit den technischen Merkmalen (geringe Tonhöhenschwankungen durch Gleichlaufstörungen; unterschiedliche Klangcharakteristik jedes einzelnen Tonsignals durch separate Aufnahme- und Wiedergabebedingungen) ein typisches, unverwechselbares Klangbild. Trotz der 42 im Angebot befindlichen Bandsortimente — in einem Holzrahmen untergebracht und komplett austauschbar — blieb das Mellotron immer als solches erkennbar. Als Anfang der Siebzigerjahre vollelektronische Instrumente Verbreitung fanden, die bei erheblich geringerem technischem Aufwand auf der Basis von Tonfrequenzgeneratoren den Klang herkömmlicher Orchesterinstrumente nachbilden konnten (z. B. Stringsynthesizer), ging die Bedeutung des Mellotrons allmählich zurück. Mit dem Aufkommen von Soundsampling (Sampling) und der Verwendung digital gespeicherter Originalklänge (PCM-Sounds, Pulse-Code-Modulation) ist das mit einem externen analogen Speichermedium (Tonband) arbeitende Mellotron durch Geräte mit interner digitaler Speicherung ersetzt worden.
 
Verschiedene Klangfarben des Mellotrons sind im Titel »Flying« (LP »Magical Mystery Tour«, 1967) von den Beatles zu hören. Vor allem im Bereich des Artrock verwendeten um 1970 zahlreiche Keyboarder, aber auch andere Instrumentalisten ein Mellotron, darunter Mike Pinder (* 1941) bei Moody Blues, Ian McDonald (* 1946) und Robert Fripp (* 1946) bei King Crimson, Tony Banks (* 1950) bei Genesis und Rick Wakeman (* 1949) bei Yes sowie bei seinen Soloprojekten. Rick Wakeman war darüber hinaus beteiligt an einer Entwicklung von Dave Biro, dem Birotron (produziert Mitte der Siebzigerjahre von Birotronics, High Wycombe/Großbritannien). Bei diesem nur in geringer Stückzahl angefertigten, dem Mellotron ähnlichen Instrument fanden anstelle der kurzen, dreispurigen Tonbänder Acht-Spur-Kassetten (Cartridge) Verwendung.

Universal-Lexikon. 2012.

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